Nachdem wir uns im letzten Beitrag mit Vertraulichkeit beschäftigt haben, kommen wir zu einem weiteren Grundprinzip: der Neutralität. Was bedeutet sie genau? Warum ist sie so essenziell? Und von wem geht sie aus? In diesem Post möchte ich diese Fragen klären und zeigen, warum Neutralität ein unverzichtbares Element der Mediation ist.
Was bedeutet Neutralität in der Mediation?
Neutralität heißt, dass sich Konfliktparteien und Mediator:innen urteilsfrei begegnen. Es werden weder die Position, noch die Handlungen, noch Persönlichkeiten bewertet. Neutralität ist keine Technik, sie ist eine innere Haltung! Neutralität zeigt sich im Verhalten und der Sprache und vor allem auch, wie Mediator:innen den Mediationsprozess gestalten.
Von wem geht Neutralität aus?
Neutralität ist eine Aufgabe, die allein Mediator:innen obliegt. Konfliktparteien können naturgemäß nicht neutral sein, da sie ihre eigene Interessen verfolgen.
Meine Aufgabe als Mediatorin ist es daher, dass ich mir meiner eigenen möglichen Vorurteile, Meinungen oder Sympathien bewusst bin und diese außen vor lasse.
Und sollte es Mal nicht möglich sein - zb aufgrund meiner eigenen Erfahrungen oder persönlichen Überzeugung oder Werte oder auch emotionaler Beteiligung - neutral zu bleiben, dann ist es meine Verantwortung, dass ich es schaffe neutral zu sein. Andernfalls muss ich den Fall an eine andere Mediatorin weitergeben.
Warum ist Neutralität so wichtig in der Mediation?
Neutralität erfüllt mehrere entscheidende Funktionen im Mediationsprozess:
Vertrauen schaffen: Die Parteien müssen sicher sein, dass die Mediatorin für keine Seite Partei ergreift. Nur so können sie sich voll auf den Prozess einlassen und offen über ihre Anliegen sprechen.
Einen sicheren Raum schaffen: Neutralität ermöglicht es den Parteien, ihre Konflikte ohne Angst vor Verurteilung oder Bevorzugung zu verhandeln. Sie fühlen sich gehört und ernst genommen.
Fokus auf die Lösung legen: Durch die Neutralität der Mediatorin wird der Fokus von Schuldzuweisungen oder Gewinner-Verlierer-Dynamiken weg auf die Suche nach gemeinsamen Lösungen gelenkt.
Selbstbestimmung der Parteien fördern: Neutralität befähigt die Parteien, selbst Verantwortung für die Ergebnisse des Mediationsprozesses zu übernehmen, anstatt Lösungen von der Mediatorin vorgegeben zu bekommen.
Chancengleichheit gewährleisten: Die Mediatorin achtet darauf, dass keine Partei dominiert und alle gleichermaßen ihre Interessen einbringen können. Dies ist besonders in ungleichen Machtverhältnissen essenziell.
Neutralität in der Praxis
Neutralität zu wahren, ist in der Praxis nicht immer einfach. Hier einige typische Herausforderungen – und wie damit umgegangen werden kann:
Eine Partei versucht, mich als Mediatorin auf ihre Seite zu ziehen.
Hier mache ich klar, dass ich keine Partei ergreife, sondern den Prozess als Ganzes unterstütze.
Als Mediatorin habe ich persönliche Sympathien oder Antipathien.
Hier hilft mir Selbstreflexion. Ich mache mir meine eigene Haltung und Rolle bewusst.
Die Parteien vertreten ganz andere Werte als ich.
Auch hier setze ich auf Selbstreflexion. Meine persönlichen Werte spielen in diesem Prozess keine Rolle.
Fazit
Neutralität ist das Fundament einer Mediation. Sie ermöglicht Konfliktparteien, Vertrauen zu entwickeln, ihre Anliegen offen zu äußern und eine Lösung zu finden, die ihre jeweiligen Interessen berücksichtigt. Für mich als Mediatorin bedeutet Neutralität sowohl eine bewusste innere Haltung als auch ein methodisches Vorgehen. Nur so kann ich den Parteien den Raum bieten, den sie für eine eigenverantwortliche Lösung ihres Konflikts benötigen.
Nächste Woche geht’s um ein Thema, welches gern mit Neutralität verwechselt, und zwar der Allparteilichkeit.