In meiner 7-teiligen Blogreihe über die Grundprinzipien der Mediation haben wir bereits die Themen Vertraulichkeit und Neutralität behandelt. Heute möchte ich über ein Prinzip sprechen, das eng mit diesen beiden verbunden ist und ebenso essenziell für den Erfolg einer Mediation ist: Allparteilichkeit.
Was bedeutet Allparteilichkeit?
Allparteilichkeit bedeutet, dass Mediator:innen nicht nur neutral sondern, sondern aktiv die Interessen aller Parteien im Blick behalten und unterstützen. Es geht nicht darum, distanziert zu bleiben, sondern darum, jeder Partei gleichermaßen gerecht zu werden. Das bedeutet: Ich nehme keine Partei ein, sondern stelle sicher, dass jede Stimme gehört wird, und sorge dafür, dass alle Beteiligten die gleichen Chancen haben, ihre Anliegen zu äußern und Lösungen zu entwickeln.
Warum ist Allparteilichkeit wichtig?
In einer Mediation kommen Menschen oft mit stark unterschiedlichen Perspektiven und Gefühlen zusammen. Häufig fühlen sich eine oder mehrere Parteien benachteiligt, unverstanden oder sogar angegriffen. Wenn ich als Mediatorin auch nur den Anschein erwecke, eine Seite zu bevorzugen, gefährdet das das Vertrauen in den Prozess und damit die Basis für eine faire Konfliktlösung.
Allparteilichkeit ist daher entscheidend, um:
Vertrauen aufzubauen: Alle Beteiligten müssen spüren, dass ich ihre Anliegen ernst nehme.
Gleichgewicht zu schaffen: Oft sind Machtverhältnisse zwischen den Parteien unausgewogen. Meine Aufgabe ist es, dieses Ungleichgewicht auszugleichen, ohne eine Seite zu benachteiligen.
Den Dialog zu fördern: Nur wenn sich alle gehört fühlen, kann ein echter Austausch stattfinden.
Wie setze ich Allparteilichkeit in meiner Arbeit um?
Allparteilichkeit erfordert Fingerspitzengefühl und bewusste Kommunikation. Hier sind einige konkrete Schritte, die ich in meiner Arbeit als Mediatorin nutze:
Aktives Zuhören: Ich achte darauf, allen Parteien aufmerksam und wertschätzend zuzuhören.
Gleichgewicht schaffen: Oft haben Parteien unterschiedliche Fähigkeiten, ihre Interessen zu formulieren. Manche sind wortgewandter oder dominanter als andere. In solchen Fällen helfe ich der leisen oder zurückhaltenden Partei, ihre Anliegen klar und deutlich zu artikulieren.
Bewusste Sprache: Ich achte darauf, eine neutrale, gendergerechte und inklusive Sprache zu verwenden. Selbst unbewusste Bevorzugungen in der Wortwahl könnten die Wahrnehmung meiner Allparteilichkeit beeinträchtigen.
Transparenz: Ich erkläre den Mediationsprozess und meine Rolle klar und offen. Das gibt den Parteien Sicherheit und hilft, Missverständnisse oder falsche Erwartungen zu vermeiden.
Selbstreflexion: Allparteilichkeit ist vor allem eine Frage der inneren Haltung. Ich reflektiere regelmäßig meine eigene Arbeit und achte darauf, ob ich unbewusste Sympathien oder Antipathien empfinde, die mein Verhalten beeinflussen könnten. In solchen Fällen mache ich mich meiner Rolle bewusst – oder im Extremfall eine:r Kolleg:in, um den Mediationsprozess neutral fortzuführen.
Herausforderungen der Allparteilichkeit
Natürlich gibt es Situationen, in denen meine Allparteilichkeit auf die Probe gestellt wird. Zum Beispiel, wenn eine Partei besonders emotional oder konfrontativ auftritt. Hier ist es wichtig, ruhig zu bleiben, den Raum für Gefühle zu geben und gleichzeitig den Fokus auf die Lösung zu lenken.
Ein weiteres Spannungsfeld kann auftreten, wenn ich feststelle, dass eine Partei sich weniger engagiert oder zurückzieht. In solchen Fällen ist es meine Aufgabe, proaktiv zu intervenieren, ohne die anderen Parteien zu bevormunden.
Fazit
Allparteilichkeit ist mehr als nur ein Prinzip – es ist eine innere Haltung, die Vertrauen schafft und den Weg zu einer fairen, nachhaltigen Lösung ebnet. Meine Aufgabe als Mediatorin ist es, einen sicheren Raum zu bieten, in dem alle Stimmen gehört und respektiert werden.
Habt ihr Fragen oder eigene Erfahrungen, die ihr teilen möchtet? Ich freue mich über eure Nachrichten!